Sonntag, 20. Juni 2021

Zu den Azoren

 
Von den Bermudas zu den Azoren liegt mit 1835 Seemeilen die längste Segelstrecke vor unserem Bug. Der Wetterbericht sagt für die nächste Woche eine stabile Hochdruckwetterlage voraus.
 
Die erste Segelwoche verläuft dann auch wie angekündigt. Mit leichtem achterlichem Wind und wenig Seegang schaukeln wir gemächlich gen Osten. Die Etmale des Tages fallen mit 100 Seemeilen bescheiden aus. Am Anfang der Reise wollen wir den Motor nur sparsam einsetzen, um unsere Dieselvorräte von 300 Liter Tankfüllung und 80 Liter in Zusatzkanistern für einen eventuellen späteren Einsatz zu schonen. Trotzdem motoren wir in den windstillen Nächten die ein und andere Stunde. Am Tage nutzen wir jeden Windhauch und setzen lange Strecken die bunten Segel Blister und Spinnaker. Nach den Erfahrungen unserer Überfahrt zu den Bermudas kommen wir schnell wieder in den bewährten Wachrhythmus von 3 Stunden in der Nacht.
 
Ein Schreck in der Morgenstunde ereilt uns am fünften Tag in Alfons Wache. Die Selbststeueranlage fällt aus. Nun ist der Ausfall des Autopiloten noch kein Unglück, stellt aber für eine schwache Zweiercrew eine erhebliche Belastung dar. Alles von Hand zu steuern bedeutet, sich im zweistündigen Wechsel Tag und Nacht abzulösen. Bei allen Arbeiten wie Segel wechseln, kochen, abwaschen, funken und Wetter einholen sind beide gefordert. Bei eventuell schwerem Wetter keine schöne Vorstellung. Entsprechend angespannt empfinden wir die Situation. Ich übernehme das Ruder. Alfons verschwindet im Schiff. Für mich vergehen 6 bange Stunden des Steuerns und Wartens. Nach Fehlerdiagnose und Austauschen von Leistungstransistoren des Steuercomputers mit zahlreichen Versuchen hat es Alfons geschafft. Die Selbststeueranlage funktioniert wieder. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Unser besonderes Augenmerk gilt fortan unserem sprachlosen Helfer an Bord.
 
Nach der ersten Woche mit leichtem Westwind segeln wir einige Tage am Rand zweier Tiefdruckgebiete. Mit dem auffrischenden Wind können wir dem Tiefdruckkern nach Osten davon laufen. Ein zwei bis drei Meter hoher Seegang von achtern bringt unser Schiff dabei tüchtig zum Geigen. Aber dafür segeln wir gute Etmale von 145 Seemeilen. In den folgenden Tagen begleiten uns dunkle Wolkenformationen mit gutem Segelwind aus größtenteils westlichen Richtungen. Nur in einer Nacht bläst uns der Wind mit 35 Knoten Geschwindigkeit entgegen und wir laufen hoch am Wind mit gerefften Segeln gen Norden. Dann haben wir das Hochdruckgebiet der Azoren erreicht. In den letzen Tagen gönnen wir uns die Unterstützung durch den Motor. Mit fast leer gefahrenem Tank erreichen wir Horta auf der Insel Faial.
 
Für die 1835 Seemeilen waren wir 14 Tage, 23 Stunden auf See. Unsere Durchschnittgeschwindigkeit lag bei 5,1 Knoten. Insgesamt liefen wir 100 Stunden unter Motor. Bis auf die Selbststeueranlage und die gerissene Ausholleine des Großsegels hatten wir keine Reparaturen oder Ausfälle an Bord. Wettertechnisch wurden wir von Intermar begleitet. Intermar ist eine Vereinigung von segelnden Funkamateuren. Täglich hatten wir Kontakt mit Uwe, der uns sein geballtes Wissen über Zugbahn und Stärke der Tiefdruckgebiete in unserer Nähe übermittelte. Ausführlich und sehr genau wusste er das Wettergeschehen um uns einzuordnen. Wir fühlten uns bestens und kompetent beraten.
 
Auf der gesamten Strecke sahen wir nur einige wenige Frachter und einen weiteren Segler. Erfreut haben uns Delphine und Seevögel, die uns ab und zu besuchten. Im Meer schwammen portugiesische Galeeren, eine Quallenart, die u.a. auf den Temperaturanstieg der Meere zurück zu führen ist. In den Nächten leuchtete das Plankton um unser Schiff. Wir fuhren wie durch einen Schaumteppich aus funkelnden Sternchen.